Auf der Suche nach Identität

Ich muss Ihnen sagen, ich bin auf der Suche nach Identität. Und heute hatte ich eine neue Erkenntnis.

In der Vergangenheit verwechselte ich Fähigkeit und Identität und geißelte mich selbst, jedes Mal wenn ich etwas nicht konnte oder keine Antwort auf eine gegebene Frage oder ein Problem hatte. Sie wissen schon? Das ist der Moment, wo man etwas vermasselt und anstatt sich zu sagen « ich weiß es nicht, und ich werde lernen », sagt man sich « ich weiß es nicht, ich bin schlecht, ich bin nichts wert »… Im NLP nennt man das eine Verwechslung der logischen Ebenen: eine Verwechslung zwischen « was ich bin » und « was ich weiß », zwischen Identität und Kompetenzen.

Im Laufe meines Weges in den letzten Jahren konnte ich diese Problematik mit Wohlwollen und Unterscheidungsvermögen erfassen. Ich lernte, diese Verwechslung zu erkennen, ihr Raum zu geben, die Dinge an ihren richtigen Platz zu rücken, von « Ich konnte es nicht, also bin ich schlecht… » zu « nein, ich bin nicht schlecht. Ich habe die Kompetenz noch nicht, und das definiert nicht, wer ich bin » zu wechseln. Das ist integriert.

Da war es, als ich mich auf eine neue Identitätssuche begab: wenn das, was ich weiß oder nicht weiß, nicht definiert, wer ich bin, was tut es dann? Ich machte mich also auf die Suche nach Etiketten, die nicht mehr auf « was ich weiß, definiert, wer ich bin » basieren würden, sondern auf « ich bin X, deshalb tue ich Y ». Ich suchte also eine Identität zu finden, die meine Verhaltensweisen erklären könnte. Es ist so viel bequemer, sagen zu können « ich handle so oder so, weil ich X oder Y bin« . In meinem Fall übersetzte sich das ganz konkret in « ich handle so oder so, weil ich hochbegabt bin« . Mit anderen Worten, ich suchte meine Handlungen (oder Untätigkeit) durch meine « Identität » zu rechtfertigen. Dann, nachdem dieses Etikett von Fachleuten etabliert wurde (denn ho… das muss schon hieb- und stichfest sein), da mein Verhalten meiner Ansicht nach noch nicht zu dieser neuen Identität passte, suchte ich eine andere: « Ich bin überzeugt, so oder so zu handeln, weil ich Autist-Asperger bin« . Ich bin in der Diagnostik und werde übrigens in wenigen Tagen meinen letzten Termin haben.

Dann fragte mich letzte Woche eine Freundin « und danach, was wird es sein? ». Es war einfach etwas zu früh. Nun, vielleicht hat sie das kleine Samenkorn gepflanzt. Tatsache bleibt, dass ich in dem Moment, als sie es mir sagte, verzweifelt suchte, mein Vorgehen zu rechtfertigen. « Du verstehst, ich bin dabei, die Puzzleteile meiner Identität zusammenzusetzen ». Was an sich wahr ist. Wahrscheinlich ist dies ein notwendiger Durchgang für mich, um eine Etappe zu erreichen.

Wie auch immer, ich wurde mir heute Morgen dieser Tatsache bewusst. Wie die Nase mitten im Gesicht. Von einer Verwechslung der logischen Ebene ging ich zu einer anderen über. Wenn meine Fähigkeiten meine Identität nicht definierten, ersetzen wir das durch meine Verhaltensweisen. Ich könnte von nun an alle meine Handlungen oder Untätigkeit durch diese neuen Etiketten rechtfertigen, diese neue Identität, die übrigens, das muss man sagen, von Fachleuten bestätigt ist… das ist nicht irgendwas…

Um ehrlich zu sein, begann ich zu bemerken, dass etwas dort nicht stimmte. Ich war in dieses Bedürfnis gefallen, überall zu sagen « du verstehst, ich bin hochbegabt, deshalb mache ich dies oder das, das ist der Grund, warum ich so oder so funktioniere ». Wie jemand sagen würde, den ich sehr respektiere, das war nicht kongruent mit der kleinen Stimme innen, die ich oft vergesse zu hören.

Heute bin ich immer noch auf der Suche nach Identität. Das ist mein Weg. Auf diesem erreiche ich eine neue Etappe. Ich habe verstanden, dass ich auf dem falschen Weg war, dass ich am falschen Ort suchte. Ich weiß noch nicht, womit ich es ersetzen soll. Das ist der Weg, der vor mir liegt, und ich freue mich, ihn zu entdecken, einen Tag nach dem anderen.

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